Die Regie-Kolumne
Das waren Zeiten. Natürlich, wir waren alle jung, voller Ideen und bildeten uns tatsächlich ein, karnevalistisch etwas auf die Beine stellen zu können. Im Herbst 1976 fiel der Startschuss zu unserem wilden Treiben.
Doch: Ganz allein trauten wir uns an diese anspruchsvolle Aufgabe noch nicht heran. Es gab zum Glück in der damaligen DDR die staatliche Konzert – und Gastspieldirektion, die Profikünstler vermittelte, die unser anfänglich bescheidenes Programm veredelten. 5 Jahre brauchten wir, bis wir schrittweise das karnevalistische ABC selbstständig beherrschten.
Das damalige Kreiskulturhaus in Genthin haben wir im Handstreich erobert. Keine staatliche Organisation gab uns den Auftrag, das zu tun, was wir plötzlich taten. Wer die DDR erlebt hat, weiß, dass so etwas nicht der Normalfall war. Und die Obrigkeit musste mit uns leben und leiden, denn von Anfang an war unsere Zunge spitzer als gewöhnlich. Und das Tollste war: Man riss uns die Eintrittskarten förmlich aus der Hand. Jeweils über 300 Zuschauer ergatterten die begehrten Tickets an 4 tollen Tagen. Man kam also an uns nicht mehr vorbei.
Von Beginn an stellten wir unser närrisches Treiben unter ein Thema, das richtungsweisend für die Programmgestaltung und die Dekoration war und bis heute ist. Abwechslung ist so für unsere Gäste garantiert.
Mit den Jahren wurden wir künstlerisch erwachsen. Modernität war von Anfang an unser Markenzeichen. In den ersten Jahren gab es kein Vereinsmitglied das kaum älter als 25 Jahre war. Doch leider sind die Altvorderen heute etwas älter als 25.
Die Jahrzehnte haben manche Falte ins Gesicht gezeichnet. Natürlich kamen im Laufe der Zeit neue Mitstreiter hinzu – einige blieben auf Dauer, andere aus verschiedenen Gründen nur kurze Zeit. Biologisch gealtert, doch im Herzen jung bleiben – dieser Aufgabe stellen wir uns von Jahr zu Jahr.
Mit der „Wende“ im Herbst 1989 änderte sich für uns eigentlich kaum etwas. Die neue Freiheit spaltete eher unser Publikum in mehrere Lager. Die Zielgruppen für unsere Satire wurden lediglich bunter. Allerdings konnten wir uns in den letzten Jahren dem allgemeinen Wandel weg vom klassischen politischen Kabarett hin zur Comedy nicht ganz verschließen, ohne Ersteres völlig aufzugeben.
Ab 1989 durften wir nun endlich auch am 11. 11., 11.11 Uhr die Macht im Rathaus übernehmen. Seitdem bekommen wir (freiwillig) vom Bürgermeister der Stadt den Schlüssel des Hauses überreicht. Viele Genthiner Freunde des Karnevals versammeln sich zu diesem Anlass auf dem Marktplatz und erfreuen sich am karnevalistischen Auftaktprogramm. 1993 mussten wir von unserer liebgewordenen Spielstätte „Kreiskulturhaus Volkgarten“ abschied nehmen. Ab der 18. Saison im Jahr 1994 begrüßten wir unser Publikum mit dem Motto „Carneval in Rio“ im Haus der QSG, dem späteren Stadtkulturhaus. Und schließlich finden die Festsitzung nach der schmerzlichen Coronapause ab 2023 im Lindenhof statt.
Zur Vollständigkeit eines Rückblickes darf nicht verschwiegen werden, dass die Zuschauerresonanz vor einigen Jahren rückläufig war, jedoch in den letzten Jahren sich auf ein niedrigeres Niveau eingependelt hat. Dieses Phänomen ist allerdings auch in anderen Orten außerhalb der karnevalistischen Hochburgen zu beobachten.
Somit sind wir im Heute angelangt. Ja, ja: Die guten alten Zeiten. Da kann ich nur sagen: Jede Zeit ist gut. Sie muss nur alt werden. Mit dieser Überzeugung gehen wir auch in die nächsten karnevalistischen Jahre, natürlich immer wieder mit einem neuen Thema. Wie lautet es ? Wie immer ein gut gehütetes Geheimnis bis zum 11. 11. Ein bisschen Tradition muss sein. Das Feuer in der Ideenschmiede ist schon angefacht. Die spitze Zunge werden wir uns auch zukünftig nicht verbieten lassen. Viel moderner Gesang und Tanz – eines unserer Markenzeichen – werden wieder zu hören und zu sehen sein.
Unserer großen Gemeinde des Stammpublikums und den immer neu Hinzukommenden wünschen wir spannende Vorfreude auf den Genthiner Karneval beim GCC.
Und denkt immer daran: Ein bisschen verrückt ist völlig normal.
Euer Regisseur des GCC, Bernhard Horn
Und übrigens:
Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sagen: Früher war alles besser. Aber selbstverständlich stimmt das.
——- Oder doch nicht ?